Schule in Saipu

Step by Step: Saipu-Ticino Educational Program by Strengthening and Empowering of People

Der Bau einer Schule im Dorf Saipu (im Distrikt Ramechhap) war das erste Projekt von Kam For Sud. Es wurde 1999 gestartet und hat sich laufend weiterentwickelt, und so die ersten Ziele in Phase 1 erreicht (1999-2009). Neue Ziele kamen danach für Phase 2 (2010-2013) und für Phase 3 (ab 2014) dazu.

Ziele, Strategie und Ergebnisse von Phase 1 (1999-2009)

Seit Tag eins war das Hauptziel der Zugang zu Schulbildung für alle Kinder Saipus, vor allem für Mädchen und Schüler aus unteren Kasten. Am Anfang bezifferte man die Kapazität der Schule auf ca. 200 Schüler bzw. sieben Klassen. Darüber hinaus wurde zusätzliches Lehrpersonal angestellt, da die nepalesische Regierung nur zwei zu Verfügung stellen würde. Geplant war, dass mit der Zeit die Regierung die Verantwortung über alle Lehrpersonen übernehmen würde. Die Arbeitsstrategie war, von Anfang an die lokale Bevölkerung überall miteinzubeziehen: Von der Projekterarbeitung und -Umsetzung bis zur kontinuierlichen Verwaltung der Schule.

Sitzung der NGO Ekikrit Gramin Bikash Manch, 1999

Zur Umsetzung des Projekts hat Kam For Sud eng mit Ekikrit Gramin Bikash Manch, einer lokalen NGO, zusammengearbeitet. Diese hat sich um den Kauf des Landes, die Baustelle und die Entlöhnung der Arbeiter gekümmert. Anschliessend wurde ein Verwaltungs-Ausschuss gebildet, der aus Ansässigen verschiedener Kasten und Volksgruppen besteht. Dieser kümmert sich um die Anstellung zusätzlicher Lehrpersonen und allgemein um eine reibungslos funktionierende Schule.

Mit Ausnahme einiger Zementsäcke und kleineren Mengen anderer Güter wurde die Schule mit lokalen Materialien (Bausteine und -holz) und Arbeitern aus Saipu gebaut. Auf diese Art wurden fast die gesamten Ausgaben in das Dorf selbst investiert, was wiederum vielen emigrierten Arbeiterfamilien erlaubt hat, ein ganzes Jahr beieinander zu leben. Das lokal eingesetzte Kapital hat ebenfalls die Entwicklung einer Art Kleinwirtschaft im Dorf ausgelöst.

Der Bau sanitärer Anlagen mit fliessendem Wasser verfolgte zweierlei Ziele. Einerseits sollten den Schülerinnen und Schülern WCs zu Verfügung gestellt werden, andererseits sollten sie zum Beispiel für vergleichbare Anlagen werden.

Baustelle der neuen Schule, 2000

Im April 2000 wurde die neue Schule in Saipu eingeweiht. Sie ist geräumig, hell und mit sanitären Anlagen und fliessendem Wasser ausgestattet. Den Schülern steht eine kleine Bibliothek mit Büchern auf Nepali und Englisch zur Verfügung. Ein grosser Versammlungsraum und ein Platz vor der Schule sind für Treffen und Aktivitäten des Dorfs gedacht.

Die Schule hat derzeit 300 Schüler und bietet ein Schulprogramm bis zur zehnten Klasse an (sog. School Leaving Certificate). Mindestens die Hälfte sind Mädchen. Im Jahr 2009 wurde die Schule von der nepalesischen Regierung mit zwei Auszeichnungen geehrt: Zum einen für die Bauqualität des Gebäudes und zum anderen für den Schülerinnen-Anteil, der weit über dem Landesdurchschnitt liegt.

Die Schule in Saipu, 2010

Die Übergabe an die nepalesische Regierung

Nach den schwierigen Jahren des Bürgerkriegs (2002-2006) konnten die Verhandlungen mit der nepalesischen Regierung über die Überantwortung der Lehrer-Gehälter wieder aufgenommen werden. Während die Regierung anfänglich nur zwei von neun Gehältern finanzierte, wurden die Lehrer 2009 von beiden Seiten zu 50 Prozent finanziert. In Phase 2 des Projekts (2010-2013) konnte die Regierung die Gehälter bereits neun Lehrkräften tragen und Kam For Sud nur noch sechs.

Bis 2020 sollte die gesamte Verantwortung an die Regierung übergeben werden.

Ziele, Strategie und Ergebnisse von Phase 2 (2010-2013)

Die zweite Phase des Projekts konzentrierte sich auf die Festigung dieser Neuerungen: Auf die teilweise Deckung der Gehälter, den Ausbau der Unterrichtsräume und auf eine bessere Unterrichtsqualität durch eine pädagogischer Schulung der Lehrer.

Ausbau der Unterrichtsräume

Nach einem ersten Ausbau der Räume 2006 war es 2010 notwendig, die Zahl der zu Verfügung stehenden Klassenräume weiter zu erhöhen, da die Schule neu auch höhere Klassenstufen anbot.

Das neue Gebäude mit vier zusätzlichen Klassenzimmern wurde von Kam For Sud und der nepalesischen Regierung zu je 50 Prozent finanziert (Gesamtwert ca. 30’000 CHF). Das Bauland wurde von der Gemeinde zu Verfügung gestellt.

Gebaut wurde mit einer Metall-Tragkonstruktion, was neuen (erdbebensicheren) staatlichen Vorschriften entspricht.

Didaktische Unterstützung des Lehrpersonals

Trotz der guten allgemeinen Leistungen der Schule mussten wir feststellen, dass die Lehrmethodik objektiv betrachtet Mängel aufweist. Dieses Problem betrifft nicht nur Saipu sondern ganz Nepal (und viele andere ärmere Länder der Welt). Der Unterricht baut im Allgemeinen auf kollektivem Nachsprechen auf statt auf wirklichem Verständnis, geschweige denn auf eigenständigem Suchen nach Lösungen. Die Kinder werden wenig zum Denken angeregt und vielmehr zum Abschauen und Reproduzieren. Natürlich schaffen es begabte Schüler, sich durchzusetzen. Aber die meisten Kinder erleben die Schule als ein einziges Gedächtnis-Training. Von der Mathematik bis zu den Sprachen, von den Naturwissenschaften bis zur Geschichte: Alles wird auswendig im Chor aufgesagt, wobei lediglich gelernt wird, auf bestimmte Reize (Fragen) mit bestimmten Automatismen (Antworten) zu reagieren.

Schülerinnen und Schüler in Saipu

Zwischen 1999 und 2007 verbrachten verschiedene Freiwillige ein bis zwei Monate im Dorf und versuchten, die Neugier der Lehrer auf neue Unterrichtsarten zu wecken, ihre pädagogischen Ansätze zu bereichern und die Schüler zu unterstützen, eigenständig Lösungen zu finden. Diese Erfahrung hat uns allerdings gezeigt, dass ein kurzer Aufenthalt ein Tropfen auf dem heissen Stein ist, selbst wenn er im Moment geschätzt wird.

Daher beschloss Kam For Sud 2009 mit der Schulleitung, den Lehrern von Saipu eine wirkungsvollere Unterstützung zu bieten: Pädagogische Fachkräfte (statt Laien), würden über einen längeren Zeitraum mit den Lehrern vor Ort zusammenarbeiten. Ziel war es, modernere Lehrmethoden vorzuschlagen, um eine neue Dynamik in der Wissensvermittlung zu wecken. Ein erstes Experiment wurde von einer jungen Tessiner Lehrerin durchgeführt, die zwischen 2009 und 2010 für sechs Monate in Saipu arbeitete. Dies bestätigte das Vorhaben und ermöglichte den Start eines dreijährigen Programmes für Phase 2. Das Programm wurde von mehreren Schweizer Lehrkräften durchgeführt, die teils als Freiwillige teils als Zivildienstleistende jeweils sechs Monate in Saipu verbrachten.

Schülerinnen und Schüler in Saipu

Hauptziel der didaktischen Arbeit von 2011 bis 2013

  • Lehrmethoden und Lernqualität der Schule in Saipu verbessern
  • Kreativität, Teilnahme und Selbstwertgefühl von Kind und Lehrer fördern

Teilziele

  1. Fähigkeit interaktiv zu unterrichten seitens Lehrpersonen
  2. Aktivere Teilnahme der Schülerinnen und Schüler im Lernprozess
  3. Zunehmende Vernetzung der Schülerinnen und Schüler
  4. Verbesserte Ausdrucksfähigkeit seitens Lehrer und Schüler
  5. Bewusstsein in den Familien, dass Bildung für ihre Kinder wichtig ist
  6. Video-Dokumentation der Arbeit für andere Schulen im Land

Kam For Sud hat beschlossen, ein Video auf Nepali zu produzieren, das die Arbeit in Saipu dokumentiert. Der Film berichtet über die Ideen und gibt praktische Beispiele, damit davon auch andere Schulen davon profitieren kann. Dies vermag womöglich auch das nepalesische Bildungsministerium zu inspirieren, sodass eine für alle Lehrpersonen obligatorische pädagogische Schulung entwickelt würde. Die Verbreitung des Films soll in Phase 3 stattfinden.

Methoden

Die Schweizer Lehrpersonen arbeiteten mit ihren nepalesischen Kollegen jeweils ein halbes Jahr lang zusammen. Sie legten nach und nach die passenden Methoden und Mittel fest, um die oben genannten Ziele zu erreichen. Ferner wurden auch individuelle Fähigkeiten und Gaben miteinbezogen wie:

  • Seminare/Gruppendiskussionen mit dem Lehrpersonal, die die pädagogische Selbstwahrnehmung und -kritik sowie eine pädagogische Neugier fördern
  • Persönliches Coaching der Lehrpersonen, um individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden
  • Lektionen als Fallbeispiele, in dem die Lehrpersonen auch einmal zum externen Beobachter werden, was als Ausgangspunkt für Analysen und Diskussionen dient
  • Vorbereitung von Aktivitäten, die den Eltern und dem Dorf vorgestellt werden können

Ein Zwischenbericht aus dem Jahr 2011 ist hier verfügbar (Italienisch).

Eine kurze Dokumentation über die Arbeit des Schweizer Lehrpersonals in Saipu ist hier verfügbar (Englisch).

Der didaktische Lehrfilm auf Nepali (der im ganzen Land verbreitet werden soll) ist hier verfügbar.

Phase 3 (ab 2014)

Phase 3 ist die letzte Phase des Projekts. Sie umfasste zunächst die Verbreitung des didaktischen Lehrfilms an anderen Schulen in Nepal, dann die schrittweise Überantwortung an die nepalesische Regierung (bzgl. Gehälter) und zuletzt den vollständigen „Rückzug“ von Kam For Sud im Frühjahr 2020.

Das Erdbeben von 2015, das die Schulen und 85 Prozent der Häuser im Dorf zerstörte, brachte diese Pläne natürlich durcheinander. Dank der grossen finanziellen Unterstützung ist Kam For Sud entschlossen, das Saipu wieder aufzubauen, sowohl mit dieser als auch mit einer weiteren zweiten Schule. Weitere Einzelheiten finden Sie im Text „Das Erdbeben von 2015: Erste Hilfe und Wiederaufbau“ und in den Jahresberichten seit dem Erdbeben.

Aufgrund der Katastrophe, wurde die Verbreitung des Lehrfilms vorübergehend auf Eis gelegt. Sie wird jedoch wieder aufgenommen, sobald es die Umstände zulassen.

Die Übertragung der Lehrergehälter in die Zuständigkeit des Staates blieb unverändert und wird wie geplant 2020 enden.