Krankenstation zu Gedenken von Gianni Goltz

Die Krankenstation von Saipu zu Gedenken von Gianni Goltz

In Gedenken an Gianni haben wir das Projekt Saipu Ahead erweitert, mit dem Ziel eine Krankenstation im Dorf Saipu zu errichten.


Gianni ging nicht nur in den Himalaya um die höchsten Gipfel der Welt zu besteigen. Da waren die Berge, gewiss, das schwindelerregende Dach der Welt, an die Grenzen zu gehen, ein Gefühl des Aufstiegs und der Eroberung. Doch da waren auch jene Leute, die ihn aufnahmen und ihn jedes mal ein Stück weiter nach oben begleiteten: Als Gianni, selbst viele Monate nach seiner Rückkehr, von seinen Freunden aus dem Himalaya erzählt, leuchteten unweigerlich seine Augen auf. Der Himalaya war für ihn nicht nur ein Gipfel, den es zu erklimmen galt. Er stand auch für Freundschaft. Er stand für die Gelassenheit einer Kultur, der es materiell weitaus schlechter ging als ihm, die trotz widriger Umstände, mit der selben Natürlichkeit wie Gianni, das Lächeln behält. Es ist also nicht verwunderlich, dass Gianni und seine Sherpa-Freunde ohne Schwierigkeiten kommunizieren konnten. Denn sie sprachen dieselbe universelle Sprache: Die der Einfachheit und Genügsamkeit, die der Grosszügigkeit und der Bescheidenheit. 

Diese Welt, die der Schweiz so fern und seiner Seele doch so nah war, hat ihn bis zum Tod begleitet. Einige Sherpas, die ihm nahe standen, haben ihn auch in unserem Namen verabschiedet und gesegnet zwischen Schnee und Fels im Himalaya, auf jenen geheiligten Bergen, wo nach volkstümlicher Überlieferung die Götter voller Liebe für alle Lebewesen wohnen.

Auch für die Buddhisten des Himalaya sind Leben und Tod keine getrennte Vorstellung. Der Tod ist lediglich der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Deshalb nennen sie den Körper „Lu“. Das bedeutet: „Das, was man zurücklässt“. Wie etwa ein Gepäckstück. Die geistliche Tradition des Himalaya, die im Laufe der Jahrtausende ein tiefes Verständnis über den menschlichen Sterbeprozess entwickelt hat, besagt, dass im Moment des Todes das Bewusstsein wie vom Wind davongetragen wird. Danach steht man plötzlich vor der Freiheit, die mit dem Ableben des Körpers begonnen hat. Zusammen mit dem Körper verschwindet auch der Ursprung der negativen Gefühle: Alle Verdunkelung wird weggenommen und unsere wahre Natur, sie kommt einem wolkenlosen Himmel gleich, zeigt sich. Der Abschiedsritus ist im Himalaya also vor allem ein Ritus, der die Seele auf seinem Weg begleitet, um sie zu geistlichem Wachstum und zu einem neuen Leben voller Licht und Liebe zu führen. Gewiss haben nicht nur die Sherpas Gianni auf einem Weg begleitet: Auch wir und unsere Gedanken, Gebete und unser Mitgefühl waren bei ihm.

Uns bleibt seine Freundlichkeit, mit der uns begegnete, die liebe Erinnerung an sein ehrliches Lächeln und nun auch ein Projekt, das wir verwirklichen wollen. Bevor er in den Himalaya aufbrach, hat mit Gianni seinen Wunsch geäussert, er möchte den ärmsten Menschen Nepals auf konkrete Weise helfen können. Er wollte den Kindern und Familien die Hand reichen, die am Fusse der höchsten Berge der Erde jeden Tag ums Überleben kämpfen.

Lieber Gianni, nun da du weg bist wollen wir deinen Wunsch in Erfüllung bringen, zusammen mit dir, Daniela, Petra, denen, die dich zu lieben und zu schätzen wussten, mit all den Freunden, die noch helfend dazukommen. Wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir es schaffen. Denn wie du es schon wusstest, die Liebe ist das einzige, das sich mehrt, ein jedes Mal, wenn man sie teilt und vor allem, das einzige, was nie vergeht. 

Avegno, 14. Juni 2008